Geschichte der bulgarischen Literatur – Band 1

Milena Kirova
Geschichte der bulgarischen Literatur
Band 1: Von der Befreiung bis zum Ersten Weltkrieg
Mit Namensregister und Bibliographie
406 S., geb. m. Schutzumschlag, 38,– €
ISBN 978-3-929634-82-2
Erscheint am 2. November 2017

Zum Buch
Zu den wichtigen Entdeckungen beziehungsweise Neujustierun-gen dieser bulgarischen Literaturgeschichte gehört, dass nicht etwa die großen, anerkannt klassischen Autoren Auskunft über ihre Zeit und ihre Zeitgenossen geben, sondern eher vergessene, da als sekundär betrachtete Autorinnen und Autoren. Klassikern wie Ivan Vazov oder Zahari Stoyanov war in hohem Maße daran gelegen, dem misstrauischen Volk der Untertanen, für die Staat immer das Externe, das Böse war, durch attraktive Heldenfiguren und eine heroische Geschichtsdeutung
suggestive nationale Gründungsmythen bereitzustellen, die zur Identifikation mit dem neuen Nationalstaat einluden. Dabei zeigt sich, dass etwa Vazov selbst keineswegs pathetischer Nationalist war, sondern Pathos und Mystifikation gezielt als literarische Mittel einsetzte.
Kirova überprüft solche auch politisch bald schon instrumen-talisierten Mythen auf der Grundlage intensiven Quellenstudi-ums und kritisch-vergleichender Lektüren. Darüberhinaus öffnet sie das bislang bewusst aufs Bulgarische reduzierte Blickfeld und fördert zutage, wie wachsam die bulgarischen Autoren und Pub-lizisten des 19. Jahrhunderts das politische und literarische Ge-schehen in Europa verfolgten und adaptierten. Vazov, der Französisch, Russisch und Türkisch sprach, lernte für seine Romane und Versepen von Victor Hugo ebenso wie von Alexander Puschkin; Zahari Stoyanov las den französischen Nationalhistoriker Jules Michelet, aber auch Heinrich Heine.
Am Beispiel der schon wenige Jahre nach der Befreiung gras-sierenden sozialkritischen Literatur weist Kirova nach, wie bulga-rische Autoren aus Enttäuschung und Ressentiment über die po-litischen Missstände ihrer Zeit die
Idylle bzw. retrograde Utopie vom intakten bulgarischen Dorf konstruierten, um eine Gegen-welt zu haben, in der ihre Ideale fortleben konnten. Und sie weist nach, wie diese Konstruktionen bis heute wirksam sind.
Die Autorin Milena Georgieva Kirova, geboren 1958 in Sofia, studierte Bulga-ristik und Anglistik in Plovdiv und ist heute Professorin für bul-garische Literatur an der Universität Sofia. Sie hat 1995 in einem wegweisenden Buch, Sănyat na Meduza (Der Schlaf/Traum der Medusa) die Verbindungen zwischen der bulgarischen Literatur nach der Befreiung, dem verschwiegenen weiblichen Schreiben und der Psychoanalyse untersucht, bei ihren Forschungen
zur bulgarischen Literatur seit 1878 ermittelt sie auch die Anleihen, die die Gründerväter der bulgarischen Nationalmythen bei den Autoren der Bibel gemacht haben. Ihre kritischen Schriften trafen auf viel konservativen Widerspruch. Dennoch erhielt Kirova 2011 den Staatspreis für Literaturkritik »Ivan Radoslavov und Ivan Mešekov«.
Der vorliegende erste Band ihrer Geschichte der bulgarischen Literatur basiert auf vielen eigenen, über Jahrzehnte gemachten Studien.

Der zweite Band wird sich mit dem bulgarischen Modernismus befassen.

Inhalt
Editorische Notiz
Liste der verwendeten Sonderzeichen und ihrer Aussprache1.
1. Vorübrlegungen
1.1 Besonderheiten des literarischen Denkens nach 1878
1.2 Zur Einteilung der Literaturgeschichte
2. Die bulgarische Literatur nach der Befreiung
2.1 Epochencharakteristik
2.2 Gattungsspektrum
2.2.1 Bühnenliteratur
2.2.2 Lyrik
2.2.3 Prosa
3. Die Memoirenwelle zwischen 1880 und 1900
3.1 Überblick
3.2 Werkbeispiele
3.2.1 Svetoslav Milarov: Erinnerungen a. d. Verliesen von Istanbul
3.2.2 Pope Minčo Kănčev: Vidritsa
3.2.3 Stoyan Zaimov: Vergangenheit
4. Zahari Stoyanov (1851-1889)
4.1 Leben
4.2 Werke
4.2.1 Vasil Levski. Skizzen aus seinem Leben
4.2.2 Aufzeichnungen über die bulgarischen Aufstände
4.2.3 Hristo Botev. Versuch einer Biographie
5. Ivan Vazov (1850-1921)
5.1 Übersicht über Leben und Werk
5.2 Werke
5.2.1 Literarische Mythologie u. nationales Gedächtnis. Die Epopöe der Vergessenen
5.2.2 Unter dem Joch oder Bulg. Geschichte zwischen Alltagskultur und Aufstand
5.2.3 Die Poeme Ivan Vazovs
6. Das literarische Leben von 1890-1900
6.1 Die Welle der sozialkritischen Literatur
6.2 Exponenten
6.3 Diversifizierung des Gattungsspektrums
6.4 Ideologien der Zeit
6.4.1 Narodničestvo
6.4.2 Sozialismus
7. Das literarische Periodikum als Institution
7.1 Positionsbestimmung
7.2 Titel und Themen
7.2.1 Zeitschriftenschau
7.2.2 Eine Zeitschrift mit Sonderstellung: Misăl
8. Dr. Krăstjo Krăstev, der erste Berufskritiker (1866-1919)
9. Aleko Konstantinov (1863-1897)
9.1 Persönlichkeit und Lebensweg
9.2. Bai Ganjo und die Baj Ganjos in Bulgarien, damals
9.3 Feuilletons
9.4 Der Mensch als Reisender bei Aleko Konstantinov
10. Stoyan Mihajlovski (1856-1927)
10.1 Biogaphisch-literarischer Überblick
10.2 Werke
10.2.1 Fabeln
10.2.2 Philosophische Dichtung
10.2.3 Satirische Dichtung
10.2.4 Buch für das bulgarische Volk
11. Die Erfindung des Dorfs in der bulgarischen Literatur

12. Todor Vlajkov (1865-1943)
12.1 Biographische Skizze I
12.2 Werke
12.2.1 Dyadovata Slavčova unuka (Slavčovs Enkelin)
12.2.2 Andere Erzählungen
12.2.3 Der Abgeordnete Delčo Žaburkov
12.2.4 Vlajkovs Frauengestalten
12.3 Biographische Skizze II
13. Anton Strašimirov (1872-1937)
13.1 Leben
13.2 Das literarische Werk
13.2.1 Frühe Erzählungen. Der erste Erzählband Smyah i sălzi (Lachen und Weinen)
13.2.1.1 Kočalovska kramola (Aufruhr in Kočalovo)
13.2.1.2 Na nivata (Auf dem Feld)
13.2.1.3 Na širok păt (Auf breitem Weg)
13.2.1.4 Kosju
13.2.2 Novellen und Erzählungen
13.2.2.1 Zmej (Drache)
13.2.2.2 Gabrovka (Die Frau aus Gabrovo)
13.2.2.3 Krăstopăt (Scheideweg, Kreuzweg)
13.2.3 Iztočni prikazki (Orientalische Märchen)
13.2.4 Stücke
13.2.4.1 Vampir (Der Vampir)
13.2.4.2 Svekărva (Schwiegermutter)
14. Kiril Hristov (1875-1944)
14.1 Biographische Skizze
14.2 Das Phänomen Kiril Hristov
14.3 Weitere Gedichtbände
14.4 Čeda na Balkana (Kinder des Balkans)
14.5 Romane
14.5.1 Tămni zori (Dunkle Frühe)
14.5.2 Beli djavoli (Weiße Teufel)
14.5.3 Bezdna (Abgrund)
Namensregister
Literatur