Deutsche Bulgarienreisende im 19. Jahrhundert
192 S., gebunden mit Schutzumschlag, 22,00 €
ISBN: 978-3-929634-71-6
Erscheinungstermin: Herbst 2015
Kurztext zum Buch
Als die drei Autoren dieses Bandes nach Bulgarien oder durch Bulgarien reisten, war das Zeitalter der Nationalstaatsgründungen (bis heute im Grunde nicht abgeschlossen) in vollem Braus. Auf der Suche nach Legitimation wurden andere Länder und Reiche mal verherrlicht, mal verteufelt, vor allem in Zeitungen, als sie noch Intelligenzblätter hießen. Bulgarien ist ein gutes Fallbeispiel. Da es den Großmächten im 19. Jahrhundert plötzlich gefiel, das zuvor bekämpfte Osmanische Reich zu stützen, wurden halt die Bulgaren diffamiert als dumm und brutal – und vor allem als sowieso unfähig, einen eigenen Staat aufzubauen und zu verwalten. Wer konnte solche Berichte schon überprüfen?
Hier wird unmittelbar deutlich, welchen Wert Reisen haben können, der eigene Augenschein, die eigene Erfahrung – vor allem, wenn davon so anschaulich erzählt wird wie in de Texten dieses Buches.
Leseprobe
»Unser Weg führte uns am Palast des Pascha vorüber, einem großen baufälligen Hause aus Fachwerk mit vergitterten Fenstern und weit hervorragendem Dach. Gegenüber auf einem freien Platz standen einige Kanonen. Hierauf durchwanderten wir den Bazar, eine lange Straße zwischen zwei Reihen von Buden, deren Dächer fast zusammenstießen, so daß man einigermaßen gegen Sonne und Regen geschützt geht. Pfeifen, Pferdegeschirr, baumwollene und halbseidene Gewebe, Früchte, Stiefel und Pantoffel waren die einzigen Gegenstände, welche dieser Markt bot. Endlich erreichen wir das Hann oder den türkischen Gasthof. Dieser gewährt den Reisenden ein Obdach, aber durchaus weiter nichts. Irgendein reicher Pascha erbaut ein solches Hotel als eine Art frommer Stiftung, aber niemand denkt daran, es zu möblieren oder nur in baulichem Stand zu erhalten. Jedes Hann hat seine Fontäne, die reicheren zugleich eine Moschee und ein Bad, aber der Reisende muß sein Lager wie seine Mahlzeit selbst mitbringen. Mir fiel es besonders auf, daß in einer Stadt, die einen so rauhen Winter hat wie hier an den Ufern der Donau, nicht einmal Fensterscheiben zu finden waren. Die Fenster waren entweder ganz offen oder höchstens mit Papier verklebt.«
Helmuth von Moltke über Rustschuk 1837